Nanny, Capoeiraschule Guaraúna: 

Mein Name ist Nanny und mit neun Jahren hatte ich meinen ersten Kontakt mit der Capoeiraschule in der Favela Cheba. Am Anfang war es für mich einfach ein Ort um zu spielen und mit meinen Freundinnen zusammen zu sein. In der Favela haben wir kaum Raum für das Spielen der Kinder. So war die Capoeiraschule für mich ein geschützter Ort, der mir immer stärker ans Herz wuchs. Und Capoeira ist mir immer wichtiger geworden: nicht nur als geschützter Raum zum Beieinandersein, sondern auch als Erlebnis von Tanz im Rhythmus der Trommeln, des Wissens um die Geschichte des Widerstandes der Sklaven. In der Schule dachte ich an Capoeira, in meinen Aufsätzen schrieb ich über seine Geschichte, in meinen Gedanken dachte ich über den Zusammenhang zwischen Vergangenheit der Sklaverei und Gegenwart in den Favelas nach. Capoeira als Tanz, Musik und Kultur des Widerstandes und der Hoffnung wurde in meinem Leben allgegenwärtig.

Die neunjährige Nanny

Das Leben in der Favela ist nicht einfach. Alle Menschen suchen Wege aus dem Elend und der Gewalt. Viele verlieren sich auf den Irrwegen des Alkohols, der Drogen und reproduzieren so immer mehr Gewalt, deren Opfer sie eigentlich sind. Genau da hat mir die Teilhnahme an den Capoeirastunden sehr geholfen. Capoeira hat mir einen Weg gezeigt und gab mir Kraft meinen Schritten eine neue Richtung zu geben. Für mich gehört Capoeira ebenfalls zum Leben in der Favela. Wir erleben hier nicht nur Elend und Gewalt. Wir entwickeln auch Alternativen, das stärkende Gefühl zusammen zu gehören und miteinander unterwegs zu sein. Favela ist nicht nur ein Problem. Sie ist auch Teil der Lösung. Und durch Capoeira stärken wir genau diese positiven Aspekte unseres Lebens in der Favela.

Nanny heute: sie ist selber Capoeira-Lehrerin geworden

Oft erfahre ich als Frau aus der Favela starke Vorurteile. Und selbst diese können wir dank Capoeira überwinden. Wenn wir unsere Tänze, unsere Musik und unsere Poesie zeigen, finden wir immer grossen Respekt, Vorurteile verschwinden. Ich habe als kleines Mädchen in der Capoeiraschule Guaraúna meine ersten Schritte begonnen, heute bin ich selber Capoeiralehrerin geworden. In jedem Kind, das ich begleite, sehe ich immer auch mich selber im Spiegel. Durch Capoeira konnte ich bereits an verschiedenen internationalen Treffen in Brasilien und im Ausland teilnehmen. Das gibt mir Hoffnung. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass ein Weg aus Elend und Gewalt möglich ist, es kann uns gelingen, neue Wege in dieser Welt zu gestalten. Ich bleibe mit Capoeira unterwegs, sie wird meine Lehrerin bleiben. Mein Traum ist es, durch Capoeira vielen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit dieses Weges zu zeigen. Ich bin dankbar, Teil der Capoeiraschule Guaraúna zu sein. Heute bin ich 25 Jahre alt und ich wachse zusammen mit der Schule weiter. Gemeinsam machen wir Schritt um Schritt meinen Traum wahr.